Begeisterndes Konzert in St. Michael

Es war in vielerlei Hinsicht ein eindrucksvolles Konzert, das die Liebfrauenschule am vergangenen Sonntag, dem 2. Februar, in der vollbesetzten Kirche St. Michael unter der Leitung von Ludwig Heßeler den Zuhörern bot. Seit Beginn des Schuljahres im vergangenen August proben die verschiedenen Chöre der Schule dieses schöne, aber auch anspruchsvolle Programm, das sie den erwartungsvollen Zuhörern nun präsentieren konnten: der Chor der Klassen 6, der Klassen 7-12 sowie der Schüler-Eltern-Lehrer-Chor brachten zusammen mehr als 100 Sängerinnen und Sänger auf das Podium und damit auch eine große Klangfülle. Unterstützt wurden sie dabei durch das Orchester der Liebfrauenschule, ein bewährtes Ensemble aus Profimusikern, Schülerinnen bzw. Schülern, Eltern und auch Freunden der Liebfrauenschule. 

Das Konzert begann mit der Kantate Nr. 1 von Johann Sebastian Bach: „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Wir verbinden diesen Choral aus dem 16. Jahrhundert am ehesten mit der Weihnachtszeit, die nach alter kirchlicher Lesart am 2. Februar endete. Aber auch der Advent sowie das Fest Mariä Verkündigung (25.3., an diesem Tag war auch 1725 die Uraufführung) sind liturgische Orte für dieses Lied voller biblischer Bilder. 

Trotz der hervorgehobenen Nummer 1 im Bachwerkeverzeichnis (BWV), ist sie keinesfalls die erste Kantate Bachs. Als 1950 das BWV erstmals veröffentlicht wurde, folgte man darin einer älteren Bachausgabe aus dem 19. Jahrhundert, die dortige Nummerierung war nicht nach chronologischen Gesichtspunkten gewählt worden. Die Kantate Nr. 1 zählt zu der Gattung der Choralkantate, d.h., die Komposition gründet auf den Inhalten eines Chorals, der in Wortlaut und Melodie Basis der Kantate ist. Die erste und letzte der 7 Strophen des Chorals bleiben unverändert stehen, die Inhalte der anderen Strophen werden z.T. verändert bzw. in der Form eines Rezitativs oder einer Arie geschrieben. Im Eingangschor der Kantate findet sich das Bild des Morgensterns vor, der aus der Wurzel des Geschlechtes Davids stammt, damit die bildliche Darstellung Jesu. Interessant an diesem Eingangschor, in dem sich der Chor stimmlich exakt und dynamisch differenziert zeigte, ist, dass Bach die Ankunft des Königs, des Retters der Welt, in eher dunkel getönter Instrumentierung zeigt: Corno da caccia (Flügelhorn) und Oboe da caccia (Englischhorn) sowie Streicher dominieren den Klang. Keine Ankündigung des Königs mit Pauken und Trompeten wie z.B. im Weihnachtsoratorium, keine äußere Pracht. Aber auffallend sind die beiden Soloviolinen, überzeugt mit schlankem Ton und souverän gespielt von Alexander Muthmann und Carina Laßek, die das Funkeln des Morgensterns repräsentieren sollen. Auf die Nr. 2 – ein kurzes Tenor-Rezitativ – folgte dann eine Sopranarie („Erfüllet, ihr himmlisches göttliches Flammen“) von Christine Heßeler mit einer klaren und schlanken Tongebung gesungen. Die begleitende Oboe da caccia (Ulf Engelhardt brachte die Tonschönheit des Instrumentes gekonnt zu Gehör) illustriert dabei in bewegten Figurationen die Himmelsflammen. Es ertönte eine weitere Choralstrophe des Chores, abgelöst durch ein Bass-Rezitativ, das Thomas Huy mit ruhiger und sonorer Stimme vortrug. Nikolaus Borchert, der bereits zuvor ein kurzes Rezitativ zu singen hatte, brachte in der folgenden Arie („Unser Mund und Ton der Saiten“) die technisch anspruchsvollen Koloraturen überzeugend zu Gehör. Der Text wird von Bach nahezu wörtlich in Musik umgesetzt: „Unser Mund“ durch den Sänger und „Ton der Saiten“ wieder durch die beiden Soloviolinen und den Streicherapparat; Bläser fehlen in diesem Satz. Zum Abschluss erklingt die letzte Strophe des Chorals, ein fast schlichter vierstimmiger Chorsatz, dem die beiden Flügelhornisten (Matthias Heßeler und Philip Severin) gekonnt klangliche Farbtupfer aufsetzten, wie auch schon im Eingangschor. Ein nahezu festlicher, feierlicher Abschluss dieser wunderbaren Kantate, den der Chor überzeugend präsentierte. 

Es folgte das zentrale geistliche Werk des Konzerts, die Messe in B-dur von Franz Schubert, komponiert im Jahr 1815 für vier Solostimmen und Chor. In der Instrumentierung mit Oboen, Fagotten, Trompeten und Pauken sowie Streichern und Orgel, zeigt sich der feierliche Charakter dieser Komposition. Der Komponist verlangt in dieser Messe neben der größeren Instrumentierung im Orchester auch einen guten Chor, der gerade in den hohen Lagen sicher ist, und ein Solistenquartett, bei dem insbesondere der Sopran größere Aufgaben zu bewältigen hat. Schubert hat diese Partie für eine gute Freundin geschrieben, deren Stimmeigenschaften ihm sehr genau bekannt waren. Christine Heßeler hat diesen Part mit ihrer schönen und lyrischen Stimme bestens ausgefüllt. Aber auch die anderen Solisten konnten in ihren Solopartien überzeugen und bildeten zusammen ein klanglich ausgewogenes Quartett. Besonders deutlich wurde dies im „Benedictus“. Als Mezzosopranistin war Andrea Graff zu hören, wie Christine Heßeler ebenfalls eine ehemalige Schülerin der Liebfrauenschule und aus vielen vorherigen Konzerten dem Publikum bestens bekannt. Der Chor überzeugte ein weiteres Mal mit differenzierter Gestaltung, besonders in der Dynamik. Auch die Intonation stimmte, explizit der Sopran zeigte sich in den Höhen sehr sicher. Das Orchester unterstützte den Chor und war bestens vorbereitet, denn auch im instrumentalen Bereich hat Schubert so manche Schwierigkeiten eingebaut, die aber souverän gemeistert wurden. 

Einen Sprung ins 21. Jahrhundert, in die Gegenwart, aber gleichzeitig die liturgische Klammer zurück zum ersten Werk, wagte der Chor mit der nun folgenden Vertonung des „Magnificat“, ein Gebet, das seine Verankerung sowohl im Stundengebet als auch im Advent bzw. zur Weihnachtszeit hat. Die Komposition stammt von Christine Heßeler, die schon mehrfach für die Schülerinnen Musik geschrieben hat. Als Gesangspädagogin im Forum Musicale der Liebfrauenschule sind ihr die stimmlichen Voraussetzungen und die musikalischen Vorlieben der Schülerinnen nur zu gut bekannt. Das merkte man diesem Werk, das am Sonntag seine Uraufführung hatte, im positiven Sinne an. Rhythmisch markant ertönt gleich zu Beginn „Magnificat anima mea““. Streicher und Bläser des Orchesters unterstreichen diese starken Worte des Anfangs: „Meine Seele preist die Größe des Herrn“. Dieses musikalische Motiv zeigt sich auch an anderen Stellen der Komposition sowie ganz am Ende und verweist damit immer wieder auf den zentralen Inhalt des Gebetes, den Lobpreis Gottes. Aber auch viele lyrische Stellen finden sich in der Komposition, immer passend zur Textausdeutung wie z.B. „Quia respexit“ – „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ mit einigen Solosängerinnen im Sopran oder an anderer Stelle wunderschön zurückgenommen in Tempo und Dynamik sowie Instrumentation: „Esurientes“ – „Die Hungernden beschenkt er“. Klanglich bleibt die Komponistin im bekannt tonalen Bereich, die Melodien sind einprägsam, mal rhythmisch prägnant, mal ruhig und zurückhaltend, so manche Passage könnte man sich auch passend zu einem Film vorstellen. Kurz: eine Komposition, die alle und besonders die Schülerinnen gerne gesungen haben. Das war für die Zuhörer sehr deutlich zu spüren. 

Die lange Zeit des Einstudierens dieser Werke nicht nur im schulischen Rahmen, sondern auch an vielen freien Tagen und ebenso auf einer mehrtägigen Musikfreizeit im Dezember, hat sich gelohnt. Dieser Meinung waren auch die Zuhörer, die sich mit einem großen Schlussapplaus bei allen Beteiligten und vor allem dem musikalischen Leiter, Ludwig Heßeler, bedankten.

(M. Kern-Schürmann)