Ein Sprung in die deutsche Vergangenheit

Bericht über die Studienfahrt nach Polen der Liebfrauenschule Bonn, 26. – 30. September 2022

Von Luisa Schnabel

Tag 1:

Am Montag, den 26. September 2022, pünktlich um 4:45 Uhr morgens trafen wir, 28 ausgewählte Schüler*innen der Q1 der Liebfrauenschule Bonn, uns nicht weit von der Schule, wo unsere Reise beginnen sollte. Begleitet wurden wir von den beiden Lehrer*innen Herrn Neu und Frau Sommershof. Nach und nach trudelten immer mehr Schüler*innen ein, die gespannt auf den Bus nach Krakau, Polen, warteten.

Diese Fahrt, die mit einem Besuch nach Auschwitz verbunden ist, wird jährlich von der Konrad-Adenauer-Stiftung für einige Schüler*innen der EF unserer Schule zum Großteil finanziert. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte diese Exkursion letztes Jahr nicht stattfinden, weshalb diese nun zum Glück nachgeholt werden konnte. Deshalb begleiteten uns zusätzlich noch zwei Mitarbeiterinnen der Stiftung, Rebecca und Amelie.

Wir warteten gemeinsam aufgeregt auf den Reisebus, der uns nach Polen fahren sollte, doch jedes Mal, als wir dachten, dass er kam, war es doch nur eine Straßenbahn. Schließlich kam der Bus doch und wir jubelten, während wir noch etwas schlaftrunken in den Bus stiegen.

Nach 16 Stunden Fahrt erreichten wir mit unserem Reisebus endlich Krakau. Da wir alle unglaublich geschafft von der langen Fahrt waren, freuten wir uns umso mehr, als wir in unsere Zimmer des Hotels „Korona“ einzogen und sofort zum Abendessen im Restaurant „Marchewka z Groszkiem“ aufbrachen.

Tag 2:

Am nächsten Morgen wurden wir mit unserer polnischen Führerin Barbara durch das jüdische Viertel „Kazimierz“ geführt, wobei wir die Synagoge und den Friedhof „Remuh“ besichtigen konnten. Während der Führung wurden uns viele interessante Geschichten erzählt und wir erfuhren einiges über eindrucksvolle Persönlichkeiten aus Krakau wie zum Beispiel Helena Rubinstein. Sie war eine Jüdin aus Krakau, die aufgrund des Ersten Weltkriegs in die Vereinigten Staaten Amerikas auswanderte und das Kosmetikunternehmen Helena Rubinstein gründete.

Nach dem Mittagessen auf einem kleinen Platz mit winzigen Essensständen, die polnisches Essen verkauften, wurden wir durch das Viertel „Podgorze“ geführt, wo wir auf einen der wichtigsten Plätze Krakaus trafen. Auf dem Platz, der früher Platz „Zgody“ genannt wurde, war ein Platz für Handel von Vieh und Schweinen. Dieser wurde jedoch bei der Auflösung des Warschauer Ghettos 1943 zur Hinrichtungsstätte und zum Schauplatz der Umsiedlung unzähliger Juden in ein Konzentrationslager. Heute ist dieser Platz ein Mahnmal zur Erinnerung an die frühere Zeit und wurde zum „Ghetto-Helden-Platz“ umbenannt.

Im Anschluss besuchten wir Schindlers Fabrik. Von der Fabrik an sich hat man wenig gesehen, da diese weitgehend nicht mehr vorhanden ist. Dennoch war die Ausstellung beeindruckend, da sie unter anderem die Geschichte von Oskar Schindler erzählte, der durch seine Fabrik 1200 Juden das Leben rettete. Immer noch vorhanden ist Schindlers Büro mit der Liste aller Juden, die mit seiner Hilfe überlebten.

Nachdem wir eigenständig etwas Zeit in der Krakauer Altstadt verbracht hatten, aßen wir gemeinsam zu Abend.

Tag 3:

Am nächsten Morgen räumten wir unsere Zimmer und gingen samt Koffern wieder zu unserem Reisebus. Es sollte nämlich nach einer Tour durch die Altstadt weiter nach Auschwitz oder besser gesagt nach Oświęcim gehen. Noch in Krakau besichtigten wir das ehemalige Schloss „Wawel“, die Kirchen „Kościół Franciszkanów“ und „Bazylika Mariacka“, aßen in einem typisch polnischen Restaurant Pierogi und stiegen schließlich in den Bus. 

Nach der Fahrt kamen wir im Dorf Oświęcim an, wo wir zunächst die einzige aktive Synagoge „Chevre Loymdei Mishnayos“besuchten, die den Zweiten Weltkrieg überlebte und nachher wiederhergestellt wurde. Dort wurde uns erklärt, dass das Dorf ursprünglich Oświęcim hieß, von den Nazis jedoch zu Auschwitz umbenannt wurde. Die Synagoge ist Teil des Judenzentrums in Oświęcim, wozu des Weiteren noch ein Museum gehört. Nach dem Besuch der Synagoge aßen wir im Restaurant „Art Deco“ zu Abend. Schließlich fuhren wir zu unserem Hotel und gingen schnell schlafen, da uns ein emotional anstrengender Tag erwartete.

Tag 4:

Am vierten Tag fuhren wir zeitig mit unserem Reisebus zur Gedenkstätte hinüber.

Die Stimmung war gedämpft, da wir alle großen Respekt vor dem bevorstehenden Tag hatten. Gleichzeitig waren wir gespannt, was uns emotional erwarten und was uns vielleicht neu sein würde.

Unsere Führung begann in Auschwitz 1, dem Stammlager, das ab Mai 1940 als Konzentrations- sowie als Arbeitslager zum Großteil für Juden fungierte. Der größte Teil des ehemaligen Lagers war zu unserem Erstaunen noch erhalten. Das erste, was uns auffiel, waren die hohen früher mit Strom geladenen Drahtzäune, die das gesamte Lager umgaben. Obwohl die Führung gerade erst angefangen hatte, war bereits dieser Anblick schrecklich. Als wir weitergingen, trafen wir auf das Tor mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“, durch das alle Häftlinge in das Lager gelangten. Dahinter befanden sich die einzelnen Backsteingebäude, die zunächst recht normal aussahen. Doch das, was diese Gebäude im Inneren verbargen, war grausam. Wir sahen die Kanister, in welchen das Gas Zyklon B aufbewahrt worden war, mit dem die Gefangenen umgebracht wurden, Modelle von Gaskammern mit Krematorien, die so gebaut waren, dass möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit getötet werden konnten; Brillen, Prothesen, Krücken und Schuhe verstorbener Gefangener. Was uns aber wahrscheinlich am meisten erschreckte, waren die Haufen abgeschnittener Haare, die die Nazis den Gefangenen abrasiert hatten, um diese zu verkaufen. Uns wurden sogar Bilder gezeigt, die die tätowierten Nummern der Gefangenen zeigten. So wurden die Häftlinge von den Nazis nicht mehr als Menschen, sondern rein als Nummern ohne jegliche Würde behandelt.

Außerdem konnten wir die engen Kammern sehen, in welchen die Häftlinge untergebracht waren, mit zu vielen zu kleinen und zu harten Betten, und wir liefen an einigen Galgen vorbei.

Anschließend kamen wir zu Block 11, auch Todesblock genannt. In dem zweistöckigen Backsteingebäude befand sich im Keller das Lagergefängnis der Häftlinge, das ursprünglich „Kommandanturarrest“ genannt und von den Häftlingen als „Bunker“ bezeichnet wurde. Die dort Inhaftierten starben meist an den schrecklichen Bedingungen und Misshandlung. Direkt neben Block 11 ist die „Schwarze Wand“. Sie war für uns einer der schrecklichsten Orte in Auschwitz 1, da dort Tausende arbeitsunfähige Menschen einfach erschossen wurden. Heute brennen dort Kerzen, und einige Blumen wurden davor abgelegt.

Viele Opfer des Holocausts wurden als Andenken in das Buch der Namen geschrieben, das in Auschwitz 1 ausgestellt ist. Das Buch ist über einen Meter lang und es stehen mehrere Millionen Namen darin, was uns selbst verdeutlichte, wie viele Menschen tatsächlich sterben mussten.

Wir gingen dann am Krankenbau vorbei und kamen schließlich zur Gaskammer. Man kam zunächst in einen dunklen Raum, der über einen Schornstein verfügte, durch den das Zyklon B in den Innenraum gelang. Dort starben die Menschen einen qualvollen Tod. Das Zyklon B konnte zwar schnell zu einem Erstickungstod führen, der sehr qualvoll war, dennoch war dies in den Gaskammern eher nicht der Fall. Bis sich das Gas in der gesamten Kammer verteilte und alle Häftlinge tot waren, vergingen meist ganze 30 Minuten, sodass die meisten nicht nur einen qualvollen, sondern auch einen langsamen Tod erleiden mussten.

Eine Tür führte von der Gaskammer in einen weiteren Raum, das Krematorium, wo die Leichen schließlich verbrannt wurden. Das Gefühl, in einem Raum zu stehen, wo früher so viele Menschen starben, war extrem ergreifend für uns. Es fühlte sich surreal an, da Auschwitz von außen auf den ersten Blick mit dem vielen Gras und den Backsteinhäusern, abgesehen von dem Zaun, friedlich aussah, das Innere jedoch übelste Grausamkeiten verbarg.

Nun machten wir uns auf den Weg nach Auschwitz-Birkenau, das größte deutsche Vernichtungslager im NS-Staat, das 1941 errichtet wurde. Dort erlitten über eine Millionen Menschen, darunter überwiegend Juden, aber auch einige Polen, Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefangene, einen qualvollen Tod.

Als wir das Vernichtungslager sahen, fiel uns eines sofort auf. Das Konzentrationslager war überdimensional groß, viel größer als Auschwitz 1. Allein das Lager von außen zu sehen war einschüchternd und zugleich beängstigend. Dennoch gingen wir durch das Tor, durch welches so viele Juden gehen mussten, doch nie wieder herauskamen. Es bekam zurecht den Namen „Todestor“. Wir gingen also durch das Tor und sahen sofort die Rampe mit den Gleisen, wo unzählige Menschen in kleinen Waggons mit bis zu 100 Menschen in Auschwitz-Birkenau ankamen. Auf der Rampe wurden die Menschen zunächst nach Geschlechtern getrennt. Auf einer Seite die Männer und Jugendlichen über 14 Jahre, auf der anderen Seite die Frauen mit Kindern und Schwangere. Schließlich wurden die Arbeitsfähigen dazu verurteilt, im Konzentrationslager unter unmenschlichen Bedingungen bis zum Tode zu schuften, und die Arbeitsunfähigen wurden zu den „Duschkammern“ geführt, die sich später als tödliche Gaskammern entpuppten.

Wir besuchten anschließend die KZ-Baracken, die eigentlich für Pferde vorgesehene Stallboxen waren. In der Baracke standen dreistöckige Holzgestelle, in denen die Häftlinge schlafen sollten. In jedem der „Hochbetten“ waren bis zu einem Dutzend Menschen untergebracht, sodass der Schlaf allein durch den wenigen Platz nicht erholsam sein konnte, da mehrere hundert in einer Baracke schlafen sollten. Hinzu kamen noch die eisigen Temperaturen, mit welchen die Gefangenen stark zu kämpfen hatten. Mit der harten Arbeit und den geringen Nahrungsrationen war das Überleben im Arbeitslager kaum oder zumindest nicht lange möglich. Die Toilettenräume, wenn man diese so überhaupt nennen kann, sahen nicht besser aus. In einem Gebäude, das wie die Baracken ursprünglich ein Pferdestall war, befanden sich drei Steinblöcke mit jeweils mehreren Dutzend Löchern, auf die sich die Häftlinge dicht nebeneinandersetzen mussten, um auf Toilette zu gehen. Dort zu arbeiten war zwar mehr als unangenehm, dennoch beliebt. Die Häftlinge, die dem Toilettenkommando zugeteilt wurden, waren nämlich dermaßen schmutzig und rochen nach den Exkrementen der Mithäftlinge, dass die Wärter sich den Menschen des Toilettenkommandos nicht nähern wollten. Das bewahrte die Häftlinge dort davor, geschlagen zu werden. Hinzu kam, dass sie besonders im Winter nicht im Freien arbeiten mussten, was eine Qual war, und manchmal, wenn die Häftlinge Glück hatten, fanden sie Gold und anderen Schmuck in den Ausscheidungen, die sie gegen Essen eintauschten.

Schließlich kamen wir zu den Ruinen der Gaskammern, wo die Juden fabrikmäßig so schnell wie möglich umgebracht wurden. Zunächst gelangten sie in die Umkleidekabinen, wo sie all ihre Kleidung ablegen sollten. Darauffolgend sollten die Menschen in die „Duschkabinen“ gehen, wo sie vergast und schließlich verbrannt wurden.

Fast am Ende unseres Besuches kamen wir zum Mahnmal.

„DIESER ORT SEI ALLEZEIT EIN AUFSCHREI DER VERZWEIFLUNG UND MAHNUNG AN DIE MENSCHHEIT. HIER ERMORDETEN DIE NAZIS ETWA ANDERTHALB MILLIONEN MÄNNER, FRAUEN UND KINDER. DIE MEISTEN WAREN JUDEN AUS VERSCHIEDENEN LÄNDERN EUROPAS“ steht in verschiedenen Sprachen auf quadratischen Tafeln vor den abstrakten Figuren. Dieses Mahnmal soll daran erinnern, dass das, was damals geschah, nie wieder vorkommen darf. Es ist ein Appell an die Menschheit.

Damit verließen wir die Gedenkstätte.

Zurück im Hotel reflektierten wir den Besuch in den beiden Gedenkstätten und tauschten uns aus. Bevor wir die Konzentrationslager besucht hatten, wussten wir zwar, wie viele Juden dort gestorben waren. Diese Zahl konnten wir uns jedoch nicht wirklich vorstellen. Als wir dann aber die riesigen Konzentrationslager sahen, wurde diese Zahl viel realer. Außerdem hatte es einen starken Effekt auf uns, auf dem Boden zu stehen, wo früher die Menschen erschossen und misshandelt wurden, wo die NS-Soldaten Hunde auf die Unschuldigen hetzten und wo nicht nur Männer und Frauen, sondern auch kleine Kinder ihr Leben lassen mussten. Die Zustände, unter welchen die Häftlinge lebten, können wir uns heute kaum noch vorstellen, weshalb es umso wichtiger für uns war, die Gedenkstätten zu besuchen.

Wir alle waren uns einig, dass diese Exkursion ein sehr besonderes und mit vielen Emotionen verbundenes Erlebnis war. Einerseits besuchten wir die Stadt Krakau, wo wir die Kultur und die Geschichte Polens kennenlernten, andererseits besuchten wir die Konzentrationslager, die die Deutschen – unsere Vorfahren! – im zweiten Weltkrieg errichtet hatten, und reflektierten die grausame Vergangenheit.

Tag 5:

Am nächsten Morgen fuhren wir schließlich zurück nach Bonn und kamen nach einer Fahrt von fast 18 Stunden endlich wieder zuhause an.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir viele einschneidende Momente und Erfahrungen gesammelt haben, die wir niemals vergessen werden. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir diese unvergessliche, ergreifende Fahrt miterleben durften.