Sommer 1941: Pfadfinderleiter Karl ist von der Gestapo festgenommen worden, weil er Flugblätter mit den Predigten des Münsteraner Bischofs Graf von Galen verteilt hatte. Bischof von Galen, wegen seines Mutes im NS-Widerstand auch als „Löwe von Münster“ bezeichnet, hatte sich in seinen Gottesdiensten mit deutlichen Worten gegen den Terror der Gestapo, die staatliche Zerschlagung von kirchlichen Einrichtungen und vor allem gegen die Morde an Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen in sogenannten „Heil- und Pflegeanstalten“ gewandt.
Karls Pfadfindergruppe wird nun mit einer lebensgefährlichen Aufgabe konfrontiert: In einem Wettlauf gegen die Uhr müssen die Jugendlichen in Karls Wohnung weitere dort versteckte Flugblätter finden, um seine Mission fortzuführen und die Predigten von Galens der deutschen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wie fühlt sich das Agieren im Widerstand gegen die NS-Diktatur an? Wie würden wir selber handeln? Hätten wir den Mut gehabt, wie Graf von Galen die Verbrechen der Nazis zu brandmarken oder wie Karls Pfadfinderinnen und Pfadfinder Widerstand an der Basis zu leisten? Diese Fragen stellten sich die Liebfrauenschülerinnen der Stufen 10 und EF, die im Rahmen des Escape Rooms „Der Löwe von Münster“ am 9. und 10. Oktober tief in das Leben und Wirken des Bischofs eintauchten. In der Rolle von Karls Pfadfinderinnen wurde den Schülerinnen die Ambivalenz der Thematik deutlich vor Augen geführt. „Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, aktiv gegen die Nazis zu handeln“, sagt Sophia nach Durchlaufen des Escape Rooms mit ihrer Gruppe aus der EF. Luna ergänzt: „Ich hätte mir sicher eine eigene Meinung gegen das nationalsozialistische Unrecht gebildet, aber hätte ich auch etwas gesagt? Ich hätte meine Familie schützen wollen.“
Einig sind sich die Schülerinnen jedoch, dass Widerstand mit Rückendeckung durch Gleichgesinnte eventuell doch denkbar sei, und heben das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Gruppendynamik hervor, die während des Durchlaufens des Escape Rooms entstanden seien. Stefanie bemerkt: „Ich konnte den Druck der Pfadfinderinnen und Pfadfinder, die Flugblätter finden zu müssen, sehr gut nachempfinden. Auch verstehe ich jetzt besser, wie die Menschen sich in dieser Zeit gefühlt haben, wie unfrei sie waren, in welchen Konflikten sie sich befanden. Es kam mir vor, als sei ich tatsächlich in diesem Raum.“ Diese Illusion entstand sicher auch durch die detailreiche Gestaltung der zwei Escape Rooms, die mit Drehscheibentelefonen, Volksempfängern, Diaprojektoren oder Schreibmaschinen das Ambiente der Kriegszeit perfekt wiedergaben.
Dass die Escape Rooms an der Liebfrauenschule Station machen konnten, ist dem Engagement der Eltern, der Schulleitung und der Religions- und Geschichtslehrerin Frau Sommershof zu verdanken. Das Projekt wurde vom Schulträger und dem Freundeskreis unterstützt. Stefanie, Luna und Sophia betonen: „Es war sehr cool, den Escape Room zu spielen. Toll, dass die Schule so etwas organisiert hat, man sollte das wiederholen. Wir haben viel über die Nazizeit und den Widerstand erfahren und durch das eigene Erleben ganz anders gelernt.“ Sophia fasst zusammen: „Ich werde mich noch lange an Graf von Galen erinnern. Das war heute etwas ganz Besonderes.“
Weitere Informationen zum Escape Room „Der Löwe von Münster“ unter https://www.loewevonmuenster.de/
Text: Dr. S. Fremmer; Bilder: Fremmer, Pütz